Fluttagebuch
Montag, den 12.08.2002:
Seit dem Vorabend gießt es in Strömen. Ein Rundgang
durch die Festungsräume gegen 8 Uhr beruhigt uns: Alles in
Ordnung, die Elbe noch keine Gefahr.
Bereits 9 Uhr steht der Kirchraum 15 cm unter Wasser. Aus den Gullys
vor den Eingängen schießt in hohen Fontänen das
Abwasser der Stadt empor und hat einen See gebildet, der durch die
Türen nach innen dringt. Unsere Toilettenbecken liefern das
Ihre dazu. Wir stellen alles, was sich heben lässt, auf die
stabilen Banketttische. Pumpen werden organisiert.
Dienstag, den 13.08.2002:
Trotz ständig laufender Pumpen steigt das Wasser auf ca. 50
cm an.
Mittwoch, den 14.08.2002:
Der Pegel im Kirchraum steht jetzt bei ca. 80 cm, die Elbe ist
noch immer weit unterhalb der Gefahrenzone. Im Kirchraum pumpen
wir das Wasser über den Fahrstuhlschacht nach oben auf die
Straße. Wir holen uns Sandsäcke, die ab heute auf dem
Altmarkt ausgeliefert werden. Helfer kommen von überall her
und werden mit offenen Armen empfangen. Gemeinsam dichten wir die
Eingänge bis auf eine Höhe von 1,30 m ab. Dadurch geht
der Pegelstand innen wieder etwas zurück. Jedoch ist der Kirchraum
schon längere Zeit unzugänglich geworden: die Türen
lassen sich wegen des Wasserdrucks nicht mehr öffnen und der
Fahrstuhl – der einzige Zugang von oben - ist schon seit Montag
außer Betrieb.

Donnerstag, den 15.08.2002:
Gegen Abend strömt die Elbe über die kleine Erhebung vor den
Eingängen und ergreift von unserem Kirchraum und der Kasematte
vollends Besitz. Wir müssen untätig zusehen.

Freitag, den 16.08.2002:
Die Elbe steigt weiter stetig an. In der Nacht zum 17.08. erreicht
die Flut in Dresden mit 9,40m ihren Höchststand.
Sonnabend, den 17.08.2002:
„Still ruht der See“ ... – eine unheimliche Stille!
Das Bild zeigt den Eingangsbereich zum Kirchraum, den sog. Gondelhafen,
am Morgen: nur noch 5 cm ragen die großen eisernen
Eingangsgitter über die Wasseroberfläche hinaus.

Sonntag, den 18.08.2002:
Die Gemeinde trifft sich im unversehrt gebliebenen Gemeinderaum
zum Gottesdienst. Wie durch ein Wunder sind unsere Heimbewohner
einer Evakuierung entgangen. Das Seniorenheim ist voll funktionsfähig,
zwar ohne Fahrstuhl, aber mit (Not-)Strom und Trinkwasser
versorgt. So mischt sich in unsere Verzweiflung doch auch der Dank
für diese gnädige Fügung.
Montag, den 19.08.2002:
Am Abend ist der Pegel so weit gefallen, dass wir einen Teil der
Sandsäcke abbauen und eine Tür zum Kirchraum öffnen
können. Ein unbeschreiblicher Anblick bietet sich uns, die
Bilder dokumentieren es!
 Die
Höhe des Wasserstands ist deutlich an der dunklen Färbung
der Wände zu erkennen, wir haben etwa 3m gemessen.
Wegen des unerträglichen Gestanks und der eintretenden Dunkelheit
können wir heute nur die Gemälde und einen Teil der Stühle
bergen.
 Soweit der Zeitbericht
von 2002.
In den folgenden Tagen wurde das Inventar begutachtet: Die geliehene
Truhenorgel und unser Flügel waren nicht mehr zu retten, die
übrigen Möbel und Einbauten hatten massive Schäden.
Allein unsere Stühle überlebten fast unangefochten. Fleißige
Helfer von überall her haben sie geschrubbt, desinfiziert und
ins Gemeindehaus zum Trocknen getragen.
 
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